Trainingscamps Havirov und Olomouc 2024

Havirov (16. - 21. Juli ): Table Tennis connects the World
mit Aidan, Robin, Andrin und Vincent unter der Leitung von Pavel Rehorek

Olomouc (22. - 24. Juli): Internationales Jugend Tischtenniscamp
mit Aidan, Robin, Andrin, Vincent, Cyrill, Jannes, Adrian und Joshua

 

Clubfenster, 3.3.2020

Karikatur

Karikatur: Krispin Zimmermann

Netz- und Kantenbälle können Tischtennisspieler an den Rand der Verzweiflung bringen – oder zu einem humorvollen Beitrag inspirieren. Der Dank für die folgende Geschichte geht an Mike La Marr vom TTC Young Stars Zürich.

Adalbert Brunner: Eine Legende mit Netz und Kanten

Eine Würdigung von Mike La Marr

Dass einstige helvetische Sportsgrössen in Vergessenheit geraten, kommt zuweilen leider vor. Turner Louis Zutter beispielsweise, 1896 erster Olympiasieger unseres Landes; oder Eiskunstläuferin Karin Iten, die die Biellmann-Pirouette lange vor Denise Biellmann zeigte. Doch nichts übertrifft diesbezüglich das bedauernswerte Schicksal des Toptischtennisspielers Adalbert «das Kantenmonster» Brunner, dessen Todestag sich heuer zum 70. Mal jährt. Keiner hatte wie er die Kunst der Netz- und Kantenbälle gepflegt und perfektioniert; und keiner wurde dafür heftiger beschimpft und angefeindet.

Adalbert Brunner kam 1908 als Sohn eines Uhrmachers und einer Änderungsschneiderin zur Welt. Die beiden elterlichen Berufe, die ein hohes Mass an Fingerfertigkeit und Exaktheit bedingen, mögen erklären, weshalb der verträumte Filius später mit seiner geradezu gespenstischen Präzision Erfolge und Titel errang, wenn auch keinerlei Anerkennung oder Sympathien.

Der wortkarge Brillenträger fand vergleichsweise spät zum Tischtennissport. Erst mit Ende Zwanzig, nachdem er sich bereits als treffsicherer Pistolenschütze und Dartswerfer hervorgetan hatte, entdeckte er im örtlichen Freibad seine Gabe, aus praktisch jeder Lage und bei jedem Spielverlauf den Tischrand oder die Netzoberkante zu touchieren. Obgleich er, von diesem bemerkenswerten Talent einmal abgesehen, nur über wenig Ballgefühl verfügte, trat Adalbert Brunner alsbald einem Tischtennisverein bei, welcher dessen einstige Mitgliedschaft noch heute beschämt verschweigt oder gar rundweg leugnet.

Der Rest wäre Sportgeschichte, hätte man den Namen des erfolgreichsten einheimischen Tischtennisspielers aller Zeiten nicht konsequent aus allen Annalen getilgt.

Adalbert Brunner, der Schätzungen zufolge neun von zehn Bällen entweder an die Tisch- oder Netzkante zu spielen vermochte (beim Aufschlag lag seine Trefferquote bei nahezu 100%), setzte zu einem ungeahnten Siegeszug an. Seine Gegner, sofern sie mit der Zeit nicht gleich forfait gaben, verzweifelten ob Brunners simpler Taktik und waren auch durch seine Entschuldigungen nicht zu besänftigen. Im Gegenteil: Die mal verlegen, mal melancholisch gemurmelten «Sorrys», «Pardons» und «Äxgüsis» trieben sie zusätzlich zur Weissglut. Manch aufgebrachter Widersacher soll Wut und Frustration im Alkohol ertränkt haben; die eigentümliche Redewendung «sich die Kante geben» dürfte somit auf Adalbert Brunner zurückgehen.

Dabei hatte er selber reichlich Grund zur Niedergeschlagenheit. Selbst seine MitstreiterInnen im Nationalteam mieden ihn, und das Verhalten des STTV, der sich zunehmend von dessen Spielweise distanzierte, legte ebenfalls kein Zeugnis für Sportsgeist und Nationalstolz ab, der einzige Fleck in der ansonsten ruhmreichen Geschichte jenes Verbandes.

Freilich erregte Adalbert Brunners endlose Serie von Netz- und Kantenbällen weltweit Unmut. Sportzeitungen schrieben von «Perfider Perfektion» und es gab Vorschläge, die Regeln anzupassen: Verzicht auf Netze, abgerundete Tischkanten sowie kleinere Tische (kürzere Kanten) oder grössere Tische (prozentual zur Fläche weniger Kanten).

Glücklicherweise (zumindest aus Sicht bornierter Tischtennispuristen) trat Adalbert Brunner mit 40 Jahren freiwillig, wenn auch äusserst desillusioniert zurück; schliesslich willigte er gar ein, seine Einzel-WM-Titel von 1940 bis ’46 streichen zu lassen.

Nur wenig später, im Herbst 1950, stürzte der zeitlebens einzelgängerische Adalbert Brunner beim Wandern über eine Felskante; Verdachtsmomente hinsichtlich eines Mordanschlags ehemaliger Opponenten liessen sich nicht erhärten.

So sei hier an einen Schweizer Sportsmann erinnert, der schuldlos der allgemeinen Geringschätzung anheimfiel. Und wer sich heute wegen eines gegnerischen Netz- oder Kantenballes masslos ärgert, gedenke Adalbert Brunners und sei froh, nicht ihm gegenüber zu stehen.


Zum Autor:

Mike La Marr, Jahrgang 1962, spielt beim TTC Young Stars Zürich, seit er tatsächlich noch jung war.
Gegnerische Netz- und Kantenbälle nimmt er gelassen (zumindest gegen aussen) und als Radiomoderator bei SRF1 betont er bei jeder Gelegenheit, wie gut er Tischtennis spiele.

 

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